Draußen ein Sturm.

inanbetracht:

Draußen ein Sturm und hier drinnen liegt etwas brach. Da sind Decken,
Kissen, hier steht der Tee. Komm mir nicht mit Gemütlichkeit jetzt,
bitte, komm mir nicht mit Gelassenheit, komm mir nicht mit Entspannung.
Ich bin nicht gemütlich und nicht gelassen und nicht entspannt, nein,
ich versuche, die Kaugumminächte in die Länge zu ziehen, um die Tage so
kurz wie möglich zu halten. Im Fenster schon graues Licht; das bedeutet,
Menschen trinken eilig Kaffee und brechen dann auf, irgendwohin; also
kneife ich die Augen zusammen, ich gaukle mir selbst etwas vor, ich
schlaf noch, ich schlaf noch, ich bin noch gar nicht wach, die Nacht ist
noch nicht vorbei, gib mir ein neues Aufwachen, eine zweite Chance,
einen anderen Start, komm schon, noch eine Stunde, wenigstens. Und komm
mir nicht mit Aufraffen, komm mir nicht mit Zusammenreißen, ich will das
nicht hören, ich muss das nicht hören, das ist unfair, sowieso ist hier
ziemlich viel unfair, wenn man mich fragt, aber das wäre dann ja schon
wieder anmaßend, das wäre egoistisch, und weshalb sollte man denn
ausgerechnet mich fragen. (Ich verdrehe hier keine Tatsachen, sondern
allerhöchstens Uhrzeiten; vielleicht stelle ich bloß Behauptungen auf.)

Und komm mir bloß nicht mit diesem Wird Schon, mit diesem bisschen
blinden Vertrauen, mit diesem gesunden Wollen; ich will nicht mehr
wollen, ich kann nicht mehr trauen. Ich denke jetzt bloß daran, wie das
früher einmal gutging, wie das überhaupt möglich war. Wie hat denn das funktioniert, das frag
ich mich, jetzt, ein bisschen zu zittrig und viel zu verschnupft für
einen Mai, ich frag es mich und zucke zeitgleich mit der Schulter, woher
soll ich das denn wissen, was soll ich denn überhaupt wissen; ganz
ehrlich, was denn.

Nichts passt mehr in unsere Raster, nichts passt mehr in unsere Zeit. Es
ist zu heiß für diesen Monat, es ist zu kalt für einen Mai. Ich bin ein
viel zu leiser Akkord in den Liedern, die wir dann hören, ich bin etwas
Fremdes geworden; wie soll man da schon trauen, hm? Ich kann jetzt bloß
hoffen, dass es nicht schlimmer wird, ich kann hoffen, dass nichts
passiert, wenn ich an ein Später denke, zwei, drei Tage weiter, ich kann
hoffen, dass ich dann nicht liegen geblieben sein werde (ich hoffe, es
ist überhaupt nicht so schlimm, alles).

(Svenja Gräfen)

 

Und wieder ein Donnerstag (Synonym für: Neuer Text von mir auf inanbetracht).