Neulich im Kino.

Preisfrage: Was haben ein Boxer, ein Playmate und ein Stretching-Experte mit einer Kurzfilmnacht zu tun? Oh, äh, das sind vermutlich die Protagonist_innen eines interessanten, arty Filmes? Spoiler: Nö, sind sie nicht. Aber von vorn.

Letztes Jahr habe ich einen Kurzfilm
gedreht. Was macht man mit so einem Kurzfilm, außer ihn ins Internet zu laden
und den Link herumzuschicken? Richtig, man reicht ihn ein. Bei Festivals,
Wettbewerben, eben überall da, wo man Kurzfilme einreichen kann.

So erhielt ich irgendwann die
Nachricht, dass mein Film bei der dritten Stuttgarter Filmnacht zu sehen sein
sollte. Die Stuttgarter Filmnacht ist eine tolle Idee: Sie bietet lokalen
Filmemacher_innen – fertig studierten oder viel erfahrenen gleichermaßen wie Anfänger_innen – die Möglichkeit, ihre Filme auf Großleinwand und vor Publikum zu präsentieren.
Vorher gibt’s Sekt und quietschsüße Muffins. Supercool! Diesmal im Programm: vierzehn Filme. Dreizehn von Männern. Ein einziger von einer Frau (die war dann ich). 

Ich freute mich natürlich dennoch, lud
Freund_innen und das Filmteam ein und so trafen wir uns alle vergangenen
Donnerstag vor dem CinemaxX an der Stuttgarter Liederhalle. Zugegeben, das war
schon ein wenig seltsam, sich zur Kurzfilmnacht in einem riesigen, sterilen
Saal einzufinden und nicht in einem kuscheligen Programmkino. Das liegt
vermutlich daran, dass ich ansonsten eher in kuscheligen Programmkinos statt in
CinemaxX-Sälen sitze, but that’s another story. Außerdem ist es ja super nett vom CinemaxX,
einer so riesigen Kette, Veranstaltungen wie die Filmnacht zu unterstützen.

Dann so: Licht aus, Filmnacht-Trailer,
das Moderatoren-Duo betrat die Bühne und begann wacklig, durch den Abend zu quatschen. Vielleicht bin ich durch unzählige Poetry
Slams einfach zu viele gute Moderator_innen gewohnt – aber Schwamm drüber, dachte
ich mir – denn es sollte ja um die Filme gehen.

Eigentlich will ich mir nicht anmaßen,
über ebenjene zu urteilen – ein paar haben mir gut gefallen; da war zum
Beispiel der Teaser zu einem inklusiven Projekt namens JUSTICE, bei dem
Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen vor und hinter der Kamera am
Start sein sollen. Bei anderen war ich wiederum eher verstört ob der
Aneinanderreihung von (sexistischen) Klischees und sogar der Verwendung von
Rassismen (die eindeutig »bösen« Zuhälter hatten den »obligatorischen«
russischen Akzent). Die Frauenrollen waren größtenteils passive; fast alle
wurden nur als Objekte der Begierde inszeniert. Das Motto der Filmnacht,
»Starke Gefühle«, bedeutete für die männlichen Rollen meist, dass sie eben
starke Gefühle für irgendeine normschöne, weiße Frau empfanden. Bei teils jungen, frischen Filmemacher_innen hatte ich doch ein
wenig auf Kreativität, neue Ideen und andere Blickwinkel gehofft. Stattdessen aber
hätte manchmal das Logo einer beliebigen Versicherung hervorragend zu den
cleanen »Werbe«-Bildern gepasst, die eine ausnahmslos weiße, cis-heterosexuelle
Welt zeigten. Teilweise waren es sichtlich aufwendige und teure Produktionen;
und manchmal neige ich dazu, mich zu ärgern, dass immer wieder ähnliche
Projekte gefördert und gesponsert werden.

Kommen wir aber zu den Dingen, die mich
wirklich schockiert haben. Ein paar Mal musste ich mich nämlich ernsthaft an
den harten CinemaxX-Armlehnen festhalten, um nicht in einer Mischung aus
Empörung und Verstörtheit vornüber zu kippen.

Die jeweiligen Anwesenden der Filmteams
hatten während des Abspanns nach unten zu tappen, um sich möglichst schnell
nach Namens- und Tätigkeitsnennung das Mikro weiterzureichen. Keine weiteren
Infos, keine Fragen zum Film. Dafür sollte die Pause da sein, dafür war schlicht keine
Zeit, denn: es gab Special Guests!

Zuerst applaudierte das Publikum einen
Boxer auf die Bühne. »Starke« Gefühle und so. Er hatte seine Hand im
Boxhandschuh fürs Veranstaltungsplakat hergehalten und plauderte ein bisschen
über Siege bei irgendwelchen Kämpfen, der Moderator hakte interessiert nach.
Wir warfen uns irritierte Blicke zu, noch hielten wir alles für möglich:
vielleicht war er ja auch an der nächsten Produktion beteiligt und alles würde
Sinn ergeben.

Später aber wurde dann »eines der
erfolgreichsten deutschen Playmates« vorgestellt. Sie erzählte von ihrer
Karriere (»Man fängt halt so klassisch an, Modeljobs und so, und dann ist man
auf Veranstaltungen und lernt halt Leute kennen, ihr wisst schon«) und wurde
dann, »Hand aufs Herz«, vom Moderator gefragt, wie man sich denn bloß so schön
schlank halten könne wie sie. Gesund und wenig essen, klaro, Gemüse, Fisch und
Fleisch; mir war, als befänden wir uns plötzlich nicht mehr bei einer
Kurzfilm-Veranstaltung, sondern mitten im Diät-Teil einer dieser
Frauenzeitschriften. Vielleicht fiel das auch dem Moderator auf, er beeilte
sich dann, fix nach ihren Lieblingsfilmen zu fragen, sie mag Action, und weiter
ging’s – zur Abwechslung tatsächlich mit Filmen, bis dann als nächstes ein
»Streching-Experte« auflief. Er »arbeitet eigentlich nur mit Topsportlern
zusammen«, im Rahmen der Filmnacht gab es aber die krasse Möglichkeit, einen
Gutschein zu gewinnen, wenn man seine Seite bei Facebook teilt und liket. Ach
so.

Draußen im Foyer, wo vorher der
Sektempfang und später Gespräche mit den Filmemacher_innen stattfinden sollten,
fand sich übrigens auch ein Werbestand für dieses »Fasziale
Stretching«-Gedöhns. Und für »Hollywood Airbrush-Tanning« (ich musste das
googeln). Also, Werbung ist ja okay, aber im Rahmen einer solchen Veranstaltung
kann ich mir durchaus passendere vorstellen (Equipment-Verleih zum Beispiel,
nur so als Vorschlag).

Ich konnte aus Gründen leider nicht bis zum Ende bleiben, in mir drin allerdings blieb hartnäckig die große Frage, was all
das denn nun mit der Präsentation von Kurzfilmen zu tun hatte. Hätte man die Zeit nicht etwas
besser genutzt, wenn den Filmemacher_innen die Möglichkeit gegeben worden wäre,
etwas mehr zu ihren Filmen zu sagen, ohne dass man sie in der Pause beim
Rauchen oder in der Kloschlange anquatschen musste? 

Es ist natürlich nichts Neues, dass die Filmbranche letztendlich eine sehr konservative und sexistische ist. (An dieser Stelle sei auf den tumblr Shit People Say To Women Directors & Other Women In Film hingewiesen.) Aber ich gebe zu, dass ich immer wieder enttäuscht bin, wenn sich all diese strukturellen Diskriminierungen und absurden Hierarchien bis in die letzte, kleine und eigentlich »gut gemeinte« Veranstaltung ziehen. Als Filmemacher_in ist man auf Plattformen und Möglichkeiten, Filme zu zeigen, angewiesen; ein Boykott ist da oft schwierig. 

Und das ist vielleicht das Traurigste an der ganzen Geschichte: dass so oft gesagt, gedacht und eingeredet wird, dass man sich halt »damit abfinden« müsse. Dass es keine anderen Möglichkeiten gibt und vor allen Dingen keine, um diese Strukturen aufzubrechen. Ich weiß natürlich nicht, wie viele Bewerbungen von Regisseurinnen bei der Filmnacht eingegangen sind. Ich glaube aber kaum, dass ich die einzige war. Und vielleicht wäre das ja schon ein Anfang: dass bei der nächsten Veranstaltung nicht nur einer, sondern vier, fünf oder sechs Filme von Frauen im Programm stehen.