Wir reden viel über Politisches dieser Tage, wir reden viel über uns.

In dieser Welt wird meist auf eine solche Art diskutiert, die es schwer macht, sich nicht auszuklinken. Auszuklinken im Sinne von: Ohren, Augen zu, nichts mehr fühlen, nichts mehr sagen wollen, nichts mehr hören müssen, nicht das höhnische Lachen. Nicht das, was Argument genannt, nicht das, was mit bestimmten Adjektiven versehen wird, die dann so oder so zu deuten sind, wie auf einem Silbertablett werden Inhalte serviert, als gäbe es eine Wahl, als stünden uns Interpretationen frei; hier, bitte schön, ein bisschen Reflexion, ach und: ein bisschen Polarisierung tut doch gut.

Wir reden viel über Politisches dieser Tage, wir reden viel über uns. Wir trinken viel Apfelsaft, weil die Glasflaschen eine schöne Form haben, um dann selbst gemachten Sirup hineinzugießen, wir laufen in dicken Jacken los und holen uns später Sonnenbrand. Wir stellen fest, nach drei, vier Gläsern Rotwein vielleicht, dass Balkongespräche obgleich emotional doch irgendwie sinnstiftender sind als all das da draußen, all jene Diskussionen, all jene Talkshows, all das, was zu Debatten aufgebauscht wird, wo keine nötig wären, das sagen wir, aber wer sind wir schon. Wir gehen danach schlafen und fallen in neue Tage, wir überfliegen Zeitungsartikel in der S-Bahn, immer in einem Zwischenzustand, wir verabreden uns, wir schwirren umher in unseren Blasen, herausgefiltert all das, was sich so falsch anfühlt; die Sätze, Worte, Pressemitteilungen, die Kurznachrichten, die Posts, Statements, Artikel und Tweets. Wir können uns aufregen, wir spüren, wie dann der Blutdruck steigt, wir können uns einsetzen, aber wir wissen: dann kommt das nächste Thema, die nächste Sendung, das nächste große Medium, was all jenen so viel Publikum garantiert, so viel Bühne, so viel Quote, was so viel Raum bereitstellt. Als hätte das, was sie als Meinung verkaufen, tatsächlich eine Berechtigung, diesen Raum zu füllen.

Wir nehmen uns zurück und wir halten uns raus; wir nehmen uns gar nicht zurück und wir mischen uns ein, immer wieder, zu Recht, wir wissen ja, es ist wichtig. Und wir wundern uns über diese Schwierigkeit, über das, was so verkompliziert wird, es ist so einfach:  Apfelsaftflaschen austrinken, spülen, neu befüllen, diesen Grad an Schwierigkeit hätte es, ungefähr; aber wer sind wir schon, so etwas zu behaupten; wir wollen das nicht, irgendetwas gepachtet haben, die Wahrheit oder den Sinn.

Wir reden viel über Politisches dieser Tage und wir reden viel über uns. Wir haben keine Bühne, wir haben den Balkon. Da ist kein Publikum, keine Quote, wir haben billige Weingläser, wir haben Fragen, wir haben vielleicht ein paar Antworten. Wir regen uns wutentbrannt auf über leere Hülsen, über Widersprüchlichkeiten, die in einem einzigen Satz liegen, so oft, wir gehen so oft schlafen mit einem guten Gedanken, einem naiven Hoffen; wir wissen, wir müssen nicht nach einer Legitimation suchen. Wir reden viel über uns dieser Tage, wir kennen uns, wir können nicht falsch liegen. Wir fallen in neue Morgen; wir leeren die Apfelsaftflaschen, wir füllen Sirup hinein.

 

via inanbetracht