Ein Brennen in der Lunge. Ein Kratzen in der Kehle. Die verdrehten Glieder voller schmerzender, entzündlich roter Muskeln; man muss sich das einmal bildlich vorstellen, sind das nicht Muskelfaserrisse, eigentlich, winzige, kleine Muskelfaserrisse? Ich hab das mal irgendwo gelesen, kann jedenfalls sein, vielleicht ist das auch einer dieser Mythen, eine dieser unbedeutenden Schlagzeilen; das ist doch paradox, sagt jemand und ich schaue mich um, drehe den Hals, richte mich auf, in meinem Inneren krampft es sich zusammen, ich atme aus, ich atme ein, ich schiebe meine Sehkraft durch den Nebel; seit Stunden ist der da, wabert vor sich hin, irritiert mich und hält mich fern und macht mich fremd und haucht mir ins Gesicht. Wie eine zweite Welt ist alles um mich herum, und ich denke nach über vergeudete, nein, besser: verlorene Zeit, ungenutzte Stunden; irgendwo hab ich gelesen, dass genau das etwas Gutes ist: wirklich und bewusst nichts tun, ohne Hörbuch, ohne Kuchen, ohne Film, ohne nebenher die Wäsche aufzuhängen, tatsächlich nichts; das sei extrem wichtig, hab ich gelesen, das tut man so selten (aber vielleicht ist das einer dieser Mythen); ich vergesse heute so schnell.
Wir wundern uns über den Tag und über die Sirenen draußen, wir ordnen die Helligkeit der Räume einem Wetter zu, wir kochen Tee, wir wärmen den Hals, wir essen fettig und massieren uns die pochenden Muskeln, und in Blitzen taucht ein Abend wieder auf; ein Stolpern, ein Husten, ein letzter Schluck, noch ein letzter Schluck, noch eine Zigarette, ein Taumeln inmitten von Schweiß und Glasscherben, ein lautes Rauschen im Kopf, das Trommelfell längst überreizt. Man schüttet sich aus und begreift und versteht, und ein paar Stunden später, wenn es dann leise geworden ist und wieder hell, dann versteht und begreift man nichts mehr, gar nichts, man wundert und fragt sich und hält sich den Schädel, wie viele Elemente sind das noch gleich, aus wie vielen Teilen besteht so ein Kopf, ich wusste das doch mal, ich hab das doch irgendwo gelesen. Alles verschwimmt zu einer Summe, mit dem heißen Tee spülen wir sie hinunter, wir streichen die ungewaschenen Haare aus dem Gesicht und schauen wieder auf die Uhr, ein Mittag, ein Nachmittag, ein Abend, wir tun nichts, wir warten, wir haben doch gar nichts getan.(Svenja Gräfen)
inanbetracht des gestrigen Wochentages schrieb ich für inanbetracht.