Die Bild-Zeitung sorgte dieser Tage mal wieder (und sowieso eigentlich grundsätzlich) für allerlei Aufsehen. Darüber kann man sich aufregen und das Gratis-Exemplar in die Tonne treten oder man versucht weiterhin, das Blatt bestmöglichst zu ignorieren. Oder man startet ganz einfach eine Kampagne mit der Forderung, das Bild-Girl abzuschaffen. Kristina Lunz, 26, die in Oxford für die Blavatnik School of Government an der Universität arbeitet, und die Berlinerin Sophia Becker, 27, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, haben genau das getan und 2014 StopBildSexism ins Leben gerufen.
Ich habe Sophia zum Interview getroffen und mit ihr über die Kampagne und ihre Arbeit gequatscht.
Hej Sophia, du bist Teil der Leitung von StopBildSexism. Wofür genau steht die Kampagne?
Wir kämpfen gegen Sexismus und für eine gleichberechtigte Repräsentation von Frauen in der Bild-Zeitung. Bisher gibt es da nämlich einen riesigen Unterschied zwischen der Darstellung von Frauen und Männern. Männer sind aktiv, Frauen sind passiv; Männer sind stark, Frauen sind schwach. Männer sind Politiker, Sportler, Unternehmer und Frauen sind meistens die Summe ihrer Körperteile. Es geht darum, was sie anhaben oder nicht anhaben und mit welchem Mann sie gerade zusammen oder nicht mehr zusammen sind.
Auf eurer Homepage ist die erste Frage unter den FAQ, warum ihr euch ausgerechnet an der Bild-Zeitung stört. Diesem Blatt den Sexismus austreiben zu wollen kommt auch mir ein klein wenig so vor, als würde man etwa RTL2 schlechte Doku-Soaps verbieten wollen. Warum setzt ihr genau da an?
Auch wenn die Bild-Zeitung ja angeblich keiner liest, werden täglich 2,4 Millionen Exemplare verkauft und sie erreicht insgesamt etwa 12 Millionen Leser. Damit ist sie die meistgelesene Zeitung Europas. Medien beeinflussen, wie wir die Welt sehen, was wir als wichtig und richtig empfinden. Und wenn eine Zeitung Einfluss hat, dann ist es die Bild. Daher ist es auch so problematisch, dass diese Zeitung ein vollkommen antiquiertes Frauenbild verbreitet, denn diese Bilder erreichen täglich Millionen von Menschen, die das, was sie sehen, nicht immer hinterfragen, sondern einfach als Normalität betrachten. Diskriminierung ist nicht in Ordnung, nur weil es sie schon immer gab oder weil es eine Boulevardzeitung ist. Auch hier gibt es rote Linien. Da gibt es kein Gewohnheitsrecht.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen und wie fand die Kampagne dann ihren Anfang?
Angefangen hat alles mit einer Petition zur Abschaffung des Bild-Girls, die Kristina im Herbst letzten Jahres online gestellt hat. Inspiriert wurde sie durch die Kampagne „No More Page 3“ in Großbritannien, die die Abschaffung des Page-3-Girls in der Sun fordert, das britische Äquivalent der Bildzeitung. Dort ist die Kampagne sehr erfolgreich. Die irische Sun hat das Seite-3-Mädchen beispielsweise schon abgeschafft. Die britische Petition hat über 200.000 Unterschriften und wir haben neulich mit unserer Petition die 36.000er Marke geknackt. Aus unserer Petition erwuchs dann sehr schnell im Oktober/November 2014 eine richtige Kampagne, die mittlerweile schon 20 ehrenamtliche Aktivist_innen hat.
Wie sieht eure konkrete Arbeit aus?
Wir arbeiten in verschiedenen Teams zusammen, die sich alle um unterschiedliche Bereiche kümmern. Wir haben zum Beispiel ein Social Media Team, ein Netzwerk Team und Recherche Team. Wir arbeiten unentwegt daran, neue Unterstützer_innen zu gewinnen und unsere bestehenden Kontakte zu pflegen. Wir halten unsere Unterzeichner_innen auf den Sozialen Medien über unsere Arbeit auf dem Laufenden und planen neue Aktionen, um noch mehr Menschen zu erreichen und über die Tragweite des Sexismus in Medien aufzuklären. Kristina und ich sind dabei für Leitung und Koordination des gesamten Teams verantwortlich.
Was für Feedback erreicht euch und gibt es schon Erfolge zu verzeichnen?
Wir können uns wirklich glücklich schätzen, dass das meiste Feedback, das wir bekommen, wirklich positiv und motivierend ist. Erst neulich haben wir als Reaktion auf einen Artikel, den Kristina für Abi-Unicum geschrieben hatte, eine Mail von einem 16-jährigen Schüler bekommen, der uns für unsere Arbeit dankte. So etwas ist für uns eine wichtige Motivation, da wir sehen, dass wir tatsächlich Menschen erreichen und vielleicht ein bisschen zu einer besseren Aufklärung über Sexismus beitragen können.
Natürlich gibt es gerade in den sozialen Medien auch antifeministische Trolls, die uns psychische Probleme, Minderwertigkeitskomplexe und zu kleine Brüste bescheinigen. Doch zum Glück hielt sich der Shitstorm bisher in Grenzen.
Wie lange (und in welcher Form) beschäftigst du dich schon mit Themen wie Feminismus und Antisexismus?
Ich habe angefangen, mich in meinem Politikstudium für feministische Theorien zu interessieren. Das hat mir geholfen, persönliche Erfahrungen mit Sexismus und sexueller Belästigung auf der Straße einzuordnen. Durch die Aufschrei-Debatte 2013 wurde das Thema auch stark in den Medien aufgenommen, wodurch ich mehr und mehr feministische Blogs und Online-Magazine las und irgendwann selbst etwas beitragen wollte.
Die Bild macht den Sexismus nicht allein. Was, denkst du, sollte sich auf einer gesellschaftlichen Ebene ändern, damit ein größeres Bewusstsein geschaffen werden kann – damit irgendwann solche Kampagnen nicht mehr notwendig sind?
Natürlich ist die Bild nicht alleine für Sexismus verantwortlich. Den gibt es überall: in anderen Medien, in der Werbung, auf der Straße, am Arbeitsplatz, im Privaten… Ich glaube jedoch, dass die Medien viel dazu beitragen können, um ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Medien schaffen Diskurse und glaubt man Foucault, beeinflussen sie dadurch, was als normal, vernünftig und gesellschaftlich anerkannt gilt. Wenn sich also der Diskurs in den Medien ändert, wenn die Medien Frauen als gleichberechtigte Menschen in unserer Gesellschaft darstellen, wenn auf Sexismus aufmerksam gemacht wird, dann können wir auch zu einem gesamtgesellschaftlichen Wandel kommen.
Zu guter Letzt: wie kann man eure Arbeit und die Kampagne unterstützen?
Zu allererst kann man natürlich unsere Petition auf change.org/Bild-Sexismus unterzeichnen. Denn je mehr Unterschriften wir sammeln, desto größer wird der gesellschaftliche Druck auf die Bild und ihren Chefredakteur Kai Diekmann, etwas zu ändern. Außerdem kann man unsere Arbeit auf Facebook, Twitter und Instagram sowie natürlich auf unserer Homepage verfolgen. Ganz wichtig: Einfach Freund_innen und Verwandten von uns erzählen und Werbung machen!